STV Biologie über die hochschulpolitischen Entwicklungen erschüttert!

In den letzten Wochen kamen verschiedene Meldungen an die Öffentlichkeit, die bei uns nur Kopfschütteln verursachen. Die Studiengebührenbefreiuung für berufstätige Studierende soll wegfallen und die Unversitätenkonferenz (uniko) möchte augenscheinlich sämtliche Errungenschaften, die das Studieren einfacher und flexibler machen, abschaffen

Studiengebühren für Berufstätige?

Mit dem Wegfallen der Studiengebührenbefreiuung für Berufstätige wird einmal mehr die Situation berufstätiger Studierender verschlechtert. Auf den ersten Blick soll es jene treffen, die „bummeln“, also sich mehr Zeit für das Studium nehmen. Praktisch trifft es aber bereits den/die Durchschnittstudent_in. Schließlich arbeitet diese_r etwa 20 Stunden pro Woche – wobei sich bereits ein Arbeitsmaß von sechs Stunden pro Woche negativ auf das Studium auswirkt (S.26, Kernaussagen der Studierendensozialerhebung 2015.)! Der Umstand, dass wir es mit der Biologie noch dazu mit einem anspruchsvollem Studium zu tun haben, verbessert das auch nicht gerade. Letztlich bestraft man all jene, die ihr Studium [zum Teil] selbst finanzieren müssen, anstatt den Aufwand, neben einem Vollzeitstudium noch entsprechend zu arbeiten, zu honorieren. Fraglich ist auch, ob der betreffenden Paragraph 79 des Universitätsgesetz nicht repariert werden soll, da man eh bereits wieder allgemeinen Studiengebühren plant; wie es bereits einmal unter Schwarz-Blau der Fall war.
Dabei gibt es genügend zum Verbessern: Die 3000€-Zuverdienstgrenze sollte angeboben werden, genauso wie das Stipendiensystem ausgebaut, sowie das Budget für die Studienbeihilfe erhöht werden sollte. Weiters ist die allgemeine Altersgrenze von 25 Jahren nicht mehr zeitgemäß, denn es gibt genügend Studis vom „zweiten Bildungsweg“ (zum Beispiel Studis, die zuerst eine Lehre machen und danach über eine Studienberechtigungsprüfung ins Studienleben starten) und durch diese Altersgrenze von Leistungen und Ermäßigungen ausgeschlossen werden.

Oliver Vitouchs Schmarrn im Namen der Uniko

Noch mehr Verwunderung als die obigen Umstände lösten bei uns die Aussagen Olvier Vitouchs im Namen der Universitätenkonferenz aus. Im folgeden setzen wir uns mit seinen Aussagen zu prüfungsaktiven Studierenden, Prüfungswiederholungen und Arbeiten neben Studium auseinander: 

Die Mär der Prüfungs[in]aktiven Studierenden

Um das Hochschulsystem zu quantifizieren und kalkulierbar zu machen, wurden in den letzten Jahren verschiedene Messwerte geschaffen. Einer davon ist jener der „Prüfungsaktiven Studierenden“. Als prüfungsaktiv gilt, wer innerhalb eines Jahres 16 ECTS in einem Studium erbringt. Nicht prüfungsaktiv gilt, wenn man zwei Studien nachgeht und in dem einem zehn ECTS und im anderen sechs ECTS sammelst. Und wenn man auf Grund einer negativen Prüfung die 16 ECTS verfehlt, ist man erst recht nicht prüfungsaktiv. Dabei sollte das doch alles so einfach sein. 180 ECTS hat ein Studium, ein ECTS hat 25 Stunden Aufwand und in sechs Semestern ist der Bachelor fertig. Wären ECTS-Punkte nicht willkürlich vergeben und würden sonst keine Probleme auftauchen.
Denn das Problem bei den „prüfungs[in]aktiven Studierenden“ ist eben, dass Studierende rein als Zahlen gesehen werden. Ob Studis direkt einen Platz in der Übung bekommen haben, eine Prüfung versaut haben oder einen Termin nicht wahrnehmen konnten, da sie krank waren, kommt hierin einfach nicht vor. Ganz zu schweigen von elitären Lehrveranstaltungsleitungen und Knock-Out Prüfungen.
Letztendlich versucht man einfach alles den Regeln des Marktes zu unterwerfen, an Hand deren man auch die Mittel für die Hochschulen vergeben will, wie es das Universitätsgesetz vorsieht.

„Studieren auf Österreichisch“ – Zwei Prüfungsantritte statt Vier?

Ebenfalls echauffierte sich Vitouch über die große Anzahl an Prüfungsterminen. Wieso eigentlich? Weil es Flexibilität erlaubt? Weil es Studis Sicherheit verschafft? Weil es auch jenen eine Chance gibt, die nicht in Kindestagen mit dem theoretischen Chemie-Lehrbuch unter dem Kopfkissen eingeschlafen sind? Über die Antwort auf diese Frage können wir leider auch nur spekulieren.
Fest steht für uns, dass es der Idealfall ist, dass man Prüfungen, nachdem man ordentlich für sie gelernt hat, besteht. Genauso wenig ist es aber auch kein Geheimnis, dass das nicht immer so leicht ist. Schließlich gibt es immer noch genügend Prüfungen, die oarsch erstellt sind (und woran man leider so schnell nichts machen kann). Oder einfach Prüfungen, die einem zwar wenig für das „ECTS-Konto“ bringen, aber trotzdem unter mehreren Wochen Lernzeit nicht zu absolvieren sind. Und überhaupt, wer hat nicht schon einmal das eigene Kurzzeitgedächtniss über- und die Inhalte unterschätzt?
Derzeit bekommen wir bereits Anfragen Studierender, die nach vier verfehlten Prüfungsantritten den Studienort wechseln mussten und damit verbunden Lehrveranstaltungen nachholen mussten. Komissionelle Prüfungen werden auch bei uns schon reichlich wahrgenommen. Dabei sind sie durch das obligatorische Zusammenfinden einer Kommmission mit zusätzlichen Kosten verbunden. Mit einer Reduktion der Prüfungsantritten würden diese Kosten steigen
Letztendlich stellt der Vorschlag eine reine Symptombekämpfung dar. Die Konsequenz wäre, dass noch weniger Prüfungen als derzeit geschrieben werden. Schließlich werden Prüfungstermine nicht aus Spaß halbvorbereitet wahrgenommen, sondern weil der Zeitdruck so groß ist. Druck, der durch weitere Prüfungen, Zugangsvoraussetzungen, Sanktionen für die Abwesenheit von der Prüfung ohne Abmeldung oder beschränkte studiengebührenfreie Zeit aufgebaut wird und der nicht zulässt, sich für jede Lehrveranstaltung genügend Zeit zu nehmen.  

„manche Studierende arbeiten 30 – 40 h die Woche und studieren nebenbei noch mehrere Studien“ – Oder: „wenn sie kein Brot haben, sollen Sie doch Kuchen essen!“ 

Von Zynismus ebenfalls nicht zu übertreffen ist Vitouchs Auslass über arbeitende Studierende. Wie bereits oben beschreiben, bezweifeln wir, dass sich wer freiwillig zu Tode stresst, um neben einem Vollzeitstudium noch Vollzeit zu arbeiten. Sich hierüber aufzuregen zeugt nur von einem fehlendem Verständnis für die Realität vieler Studierenden. Studierende, die kein reiches Elternhaus haben, Studierende, von denen erwartet wird, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, etc.  
Bei den Mehrfachstudien beißt sich nun die Katze in den Schwanz. Verschiedenste Bildungsideale propagieren von der Aufklärung an eine breite Bildung, dass man mündig wird und kein_e Fachidiot_in, oder dass man dem „Life-long-learning“ nachgeht (wofür sogar Einrichtungen der Uni Wien werben). Möchten Individuen dem nachgehen, werden sie schnell feststellen, dass Curricula dem keine ausreichenden Freiräume bieten, ein Zweitstudium muss her. Genauso wie der/die Pensionist_in feststellen muss, dass die Volkshochschule auch nur begrenztes Programm bietet, eine längerfristige Pensionsbeschäftigung wird gesucht.
Das muss man nicht unbedingt gut finden, jedoch zeigt es, dass es ein hausgemachtes Problem ist, dass gar nicht existieren würde, wären die Studienpläne nicht so starr, wie sie es vielmals sind.
Diese Tatsache verweist auch darauf, dass Veränderungen im Kontext anderer gesehen werden müssen. Viele Veränderungen wären ohne andere Veränderungen schadenlos. Für uns ist es zum Beispiel schon selbstverständlich, dass es Regelstudienzeiten gibt und eine Überschreitung dieser mit Studiengebühren und Anspruchsverlust für Beihilfen bestraft wird. Studierende werden getrimmt, ihr Studium zeitig abzuschließen. Finden Sie ihren Interessensschwerpunkt nicht im Studienplan wieder, müssen sie auf eigene Verantwortung ihr Fach ergänzen und werden mit Studiengebühren bestraft, sofern das nicht im Rahmen der Regelstudienzeit möglich ist. Ohne diese bräuchten wir uns auch nicht über Studiengebühren für Erwerbstätige nach dem 8. Semester zu ärgern. Außerdem führen überfüllte Curricula, wie sie im Rahmen des Bologna-Prozesses entstanden sind, auch dazu, dass Studierende immer mehr Prüfungen absolvieren müssen, obwohl die zur Verfügung stehende Zeit gleich bleibt. 
Für uns ist das ein weiterer Anlass zur Ärgernis. Nun mag die Situation der Unis gschissen sein – die Einlösung der alljährlichen Versprechen, diese entsprechend zu verbessern, wird aber wohl niemand mehr von uns erleben. 
Für uns stellen sich nun einige Fragen: Wofür ist Bildung? Und wofür sind die Unis eigentlich da? Dienen Sie der Fortpflanzung einer akademischen Elite? Sollen Sie eigenverantworliche und zweckfreie Wissensaneignung aller ermöglichen? Oder sollen sie einfach der Ausbildung von Wissensarbeiter_innen dienen, um in der Weltwirtschaft vorne mitzulaufen?
Wir bleiben jedenfalls dabei: Bildung und der Zugang zu den Unis soll für alle möglich sein!  Weder der Bildungsabschluss der Eltern, noch deren Kontostand, die Hautfarbe oder der Wohnort, sollen darüber Ausschlag geben, ob jemand eine Uni besucht oder nicht. Dabei soll die universitäre Bildung Studierenden ermöglichen, sich frei zu entfalten und sich ordentlich den Studieninhalten zu widmen. Sanktionen für Studienzeitüberschreitung sind hier in keinster Weise zweckdienlich oder gar ermutigend für den Studienerfolg.